Zeugen Jehovas

Holsterhausen war Zentrum der Verfolgung durch die Gestapo

Dorstener Zeugen Jehovas 1930 im Haus an der Hagenbecker Sraße in Holsterhausen

Dorstener Zeugen Jehovas 1930 im Haus an der Hagenbecker Sraße in Holsterhausen

1923 gründeten in Dorsten fünf Familien die Versammlung (Glaubensgemeinde) der „Ernsten Bibelforscher“, wie sich die Zeugen Jehovas bis 1931 nannten. Es waren meist Bergleute. Erster Vorsitzender war der aus Sachsen stammende Bergmann Otto Krug. Einen Versammlungsraum hatten die Bibelforscher zunächst nicht, sie trafen sich in Wohnungen. Erst 1930 richteten sie in dem Haus Hagenbecker Straße 57 in Holsterhausen einen Versammlungsraum ein. Von 1927 bis 1938 war Alfred Bärtel Versammlungsleiter, der nach dem Verbot der Zeugen Jehovas ab 1933 in den Untergrund ging. 1934 rollte die erste Verfolgungswelle gegen die Ernsten Bibelforscher, die außerordentlich scharf verfolgt wurden, weil sie Eid und somit Arbeits- und Kriegsdienst sowie den Hitlergruß ablehnten. In Holsterhausen gab es eine große Bibelforscher-Gemeinde, deren Mitglieder nach dem Verbot die Treffen als Geschäftsbesprechungen, Geburtstagsfeiern oder Kaffeekränzchen tarnten.

Maschinist aus Holsterhausen mit dem Fallbeil hingerichtet

Artur Kramm (l.) und sein Glaubensbruder Karl Kneifel auf der Lippebrücke

Artur Kramm (l.) und Karl Kneifel auf der Lippebrücke

Die Dorstener Bibelforscher beteiligten sich an einem deutschlandweiten konspirativen Informationsnetz. Die Häuser der bekannten Familien in Holsterhausen und Hervest-Dorsten wurden von der Gestapo überwacht, fast wöchentlich fanden in der ersten Verfolgungszeit nächtliche Hausdurchsuchungen statt, bei denen die Polizei meist die Männer zum Verhör mitnahm. Von Sondergerichten wurden etliche Dorstener Bibelforscher zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt, anschließend in Schutzhaft genommen und Konzentrationslagern überstellt. 1939 fand vor dem Sondergericht in Dortmund ein großer Bibelforscher-Prozess statt, in dem auch Dorstener verurteilt wurden. Der Maschinist Artur Kramm, der 1921 nach Holsterhausen kam, wurde wegen Kriegsdienstverweigerung zum Tode verurteilt und am 24. September 1943 im Zuchthaus Halle an der Saale mit dem Fallbeil hingerichtet. 2007 brachte der Ökumenische Geschichtskreis Holsterhausen am Holsterhausener Waldfriedhof eine Gedenktafel an, die an Kramm und die Verfolgung der Zeugen Jehovas in der NS-Zeit erinnert. Nach dem Krieg wurden auf Betreiben der Generalstaatsanwaltschaft alle Urteile gegen die Zeugen Jehovas aufgehoben. Wiedergutmachungsverfahren blieben wegen fehlender Akten meist ohne Erfolg. Für das vollstreckte Todesurteil an Artur Kramm bekam die Witwe 1953 eine Rentennachzahlung von 2.000 DM und 1958 eine eigene Haftentschädigung von 420 DM. Die Zeugen Jehovas in Holsterhausen und Hervest haben das Dritte Reich überstanden. An der Hervester Glück-Auf-Straße errichteten sie einen Königreichssaal.


Siehe auch:
Religionsgemeinschaften (Artikelübersicht)


Quellen:
Wolf Stegemann „Dorsten unterm Hakenkreuz. Kirche zwischen Widerstand und Anpassung“, Dorsten 1984. – Ders. in „Holsterhausen unterm Hakenkreuz“, 2007.

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