Rettungsdienst- und Notarzteinsätze

Rettungsdienst-Einsätze im Kreis Recklinghausen höher als Notarzt-Einsätze

Durchschnittlich alle gut acht Minuten gab es 2021 im Kreis Recklinghausen einen Rettungswagen-Einsatz. Die Zahl dieser Einsätze steigt von Jahr zu Jahr, so die Statistik. Tatsächlich ist die Zahl der Einsätze mit Rettungswagen in den letzten 15 Jahren von 36.776 (2007) auf 63.072 (2021) in die Höhe geschnellt – also um 72 Prozent. Dr. Nicolaus Schuback, ärztliche Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Recklinghausen, begründet dies in der Dorstener Zeitung: „Die Menschen werden älter, die Lebenszeit ist länger. Das geschieht nicht für alle bei bester Gesundheit, aber es bedeutet auf jeden Fall mehr medizinische Versorgung – mehr Krankenhaus-Aufenthalte und dadurch auch mehr Rettungs-Einsätze. Hinzu kommt, dass die Krankenhäuser auch aus Umsatz-Gründen heute wesentlich kürzere Liegezeiten haben: Bei Krankheiten, mit denen man früher wochenlang im Krankenhaus lag, ist man heute sehr schnell wieder draußen. Diese – teilweise zu frühen – Entlassungen haben mehr Wieder-Einweisungen zur Folge, wofür auch wieder Rettungsdienste gebraucht werden. Außerdem leben heute mehr Menschen allein, die schneller den Rettungsdienst rufen. Allein durch den demografischen Wandel kommt es auch mehr zur Zunahme häuslicher Notfälle.

Der Notfallsanitäter darf vieles eigenständig tun

Der Kreisbrandmeister Robert Gurck weist auf einen weiteren Grund für die höhere Zahl an Rettungsdienst-Einsätzen hin: „Das Personal ist hier heute höher qualifiziert. 2007 hatte der Rettungssanitäter eine dreimonatige, der Rettungsassistent eine zweijährige Ausbildung. Heute hat der Notfallsanitäter eine dreijährige Ausbildung hinter sich – und kann dadurch mehr Behandlungen vor Ort eigenständig ohne Arzt durchführen, aufgrund seiner Qualifikation mehr Dinge selbst managen. Im Rettungswagen sind nach Auskunft von Robert Gurk mindestens ein Rettungssanitäter (als Fahrer) und ein Notfallsanitäter (als Transportführer) im Einsatz. Somit übernimmt der Notfallsanitäter heute mehr sanitäre Aufgaben und Medikamentenvergabe, wofür früher in vielen Fällen ein Notarzt notwendig war. Daher sind die Zahlen der Notarzt-Einsätze längst nicht so stark gestiegen wie die der Rettungswagen. Notärzte waren 2007 im Kreis Recklinghausen 18.346 Mal vor Ort, im Jahr 2021 kam es zu 21.504 Einsätzen – eine Steigerung von etwa 17 Prozent. Dem steht ein Plus von 72 Prozent bei den Rettungsdienst-Einsätzen gegenüber. Dazu Kreisbrandmeister Gurk in der Lokalzeitung: „Der Entwicklung der Einsatzzahlen werden die Rettungsmittel angepasst. Hier wird der Rettungsdienstbedarfsplan immer wieder aktualisiert – entsprechend der aktuellen Situation.“

Warten auf den Rettungswagen – vorgegebene Hilfsfristen oft verfehlt

Bei einem medizinischen Notfall sollen die Rettungssanitäter innerhalb von acht Minuten beim Patienten eintreffen. Im ländlichen Raum gelten zwölf Minuten als angemessene Frist. Diese sogenannten „Hilfsfristen“ würden zu 90 Prozent eingehalten, so die Kreisverwaltung Recklinghausen bisher zu diesem Thema. Der neue Rettungsdienstbedarfsplan für den Kreis Recklinghausen weist allerdings sehr viel schlechtere Werte aus. Demnach werden die vorgegebenen Hilfsfristen im Vest nur zu 50,7 Prozent (8-Minuten-Bereich) beziehungsweise 56,7 Prozent (12-Minuten-Bereich) eingehalten. Weit weg also vom gesetzlich zwar nicht festgelegten, aber empfohlenen 90 Prozent-Wert. Wenn die „112“ gewählt wird, geht es häufig um Leben und Tod. Patienten haben Herzanfälle oder Schlaganfälle erlitten oder sind bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden. Rund 60.000 Mal im Jahr rücken die Rettungssanitäter im Kreis Recklinghausen aus. Doch müssen die Menschen im Vest sich Sorgen machen, dass die medizinische Hilfe zu spät kommt? Die „Dorstener Zeitung“ hat beim Kreis Recklinghausen, dem Träger des Rettungsdienstes, nachgefragt.

Informationen nach festem Schema abgefragt

Auf Anfrage der „Dorstener Zeitung“ begründet Verwaltungssprecherin Lena Heimers vom Kreishaus die deutlich nach unten abweichenden Werte mit einer anderen Zeiterfassung. Bislang habe die Stoppuhr erst zu laufen begonnen, wenn der Disponent in der Kreisleitstelle das Go für den Rettungswagen gegeben habe. Im neuen Rettungsdienstbedarfsplan, für den die Daten des Einsatzleitsystems ausgewertet worden sind, werde jedoch bereits der Moment zugrunde gelegt, in dem der Notruf eintrifft. In dem Notruf-Gespräch werden zielgerichtet Informationen abgefragt, die dann direkt an die alarmierten Mitarbeiter vom Rettungsdienst, die sich dann schon vor der Anfahrt ein Bild von der Situation vor Ort machen können. Wo welche Hilfsfrist gilt, ist im Rettungsdienstbedarfsplan stadtteilscharf dokumentiert. In den dicht besiedelten Stadtbereichen ist die 8-Minuten-Marke gesetzt. Zwölf Minuten werden zugrunde gelegt in den ländlichen Regionen von Dorsten, Haltern, Datteln, Waltrop und Oer-Erkenschwick. Doch wie weit diese Vorgabe eingehalten werden kann, variiert von Stadt zu Stadt. Ziel des Kreises Recklinghausen und seiner Städte, die Träger der Rettungswachen sind, ist es, sich – auch nach dem neuen Schema – dem 90-Prozent-Ziel wieder anzunähern. Aktuell stehen im Vest 32 Rettungsfahrzeuge für den Einsatz bereit. Laut Rettungsdienstbedarfsplan soll der Bestand innerhalb der nächsten fünf Jahre bis auf 50 aufgestockt werden.

2023 in Nordrhein-Westfalen: 357 Angriffe auf Rettungskräfte

NRW-Innenminister Herbert Reul hatte neue Zahlen zu Übergriffen auf Rettungskräfte aus dem Jahr 2023 veröffentlicht. In einem Bericht für den Innenausschuss schrieb der Politiker, 2023 seien insgesamt 357 Vorfälle von Gewalt gegen Einsatzkräfte im Brand- und Katastrophenschutz gemeldet worden – aufs Jahr gerechnet bedeutet das nahezu einen Angriff täglich. 320 Übergriffe betrafen Einsatzkräfte im Rettungsdienst, acht Übergriffe gab es auf Sanitäter und 29 betrafen Feuerwehrleute. Dabei handelt es sich tatsächlich auch um Angriffe, denn anders als in der Polizeilichen Kriminalstatistik werde in dieser Übersicht nur Körperverletzungen erfasst. Aussagen dazu, wie viele der Täter rechtskräftig verurteilt wurden, konnte das Land nicht liefern. SPD-Fraktionsvize Elisabeth Müller-Witt nannte jeden Angriff einen zu viel.


Quelle: DZ vom 31. Mai 2022. – DZ vom 22. Juli 2023 (teilweise wörtlich übernommen)

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