Freiwilliger Arbeitsdienst

Amt Hervest-Dorsten stand in der Region an der Spitze der Bewegung

Freiwilliger Arbeitsdienst

Freiwilliger Arbeitsdienst: Notstandsarbeiten zum Bau des Strandbads am Hammbach/Luisenstraße 1928/29

Von Wolf Stegemann – 1926 hat sich der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) aus einer Jugendorganisation zur Wahrnehmung gemeinnütziger Aufgaben entwickelt. Aufgrund zunehmender Arbeitslosigkeit – in der Herrlichkeit Lembeck lag die Quote bei 30 Prozent – beschloss der Reichstag 1932 die Einführung des Freiwilligen Arbeitsdienstes.

Waldwege freilegen und Wassergräben reinigen

Das erste Arbeitsdienst-Lager in der Herrlichkeit Lembeck entstand 1932 beim Förster Geißler in Lembeck-Beck, das zweite mit 60 Freiwilligen in der Scheune des Landwirts Ketteler, ebenfalls in Lembeck-Beck. Ein drittes Lager für 90 Personen entstand im Herbst 1932 in einem Holzschuppen am Freudenberg, aus dem später das Erholungsheim des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten für jüdische Kinder und Jugendliche „Haus Bertha“ wurde. Die Arbeitsdienstler hatten u. a. Waldwege freizulegen, Waldgebiete aufzuforsten und Wassergräben zu reinigen. Ein weiteres FAD-Lager entstand Anfang 1933 „Im Werth“ in Holsterhausen. Direkt am Kanal lag ein altes und verlassenes Sägewerk, das der Arbeitsdienst für seine Unterkunft erst wieder herrichten musste. Es wurde zuerst mit 60, dann mit 100 Arbeitsdienstmännern belegt.

NS-Reichsarbeitsdienst löste den Freiwilligen Arbeitsdienst ab

Am Sportplatz werden Drainageröhren verlegt, Juli 1932

Am Sportplatz werden Drainageröhren verlegt, Juli 1932

Bis September 1933 wurden die Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes wieder aufgelöst und der FAD in den staatlichen nationalsozialistischen Arbeitsdienst überführt, der in Deuten an der heutigen B 58 ein großes Lager („Ludwig-Knickmann-Lager“) errichtete. Gesetzliche Grundlagen des FAD waren die Notverordnungen der Regierung. Am 5. Juni 1931 erließ sie das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, das der Reichsanstalt (heute wäre es die Bundesarbeitsagentur) erlaubt, den Einsatz des Arbeitsdienstes finanziell zu fördern. Ein Jahr später verabschiedete die Regierung weitere Gesetze sowie die Verfahrensregelungen und stellte nennenswerte Beträge zur Verfügung. Im August 1932 wurde ein Reichskommissar eingesetzt, der Vollmacht zur Auswahl und Schulung von Führern der freiwilligen Arbeitsdienstler hatte, und ein Gesetz regelte die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten preußischen Behörden. Zum Arbeitsdienst konnte allerdings niemand verpflichtet werden. Geplant war jedoch eine Ermächtigung, nach der Studenten ein so genanntes Werkjahr zu absolvieren hätten. Dieses Gesetz kam nicht mehr zustande, nachdem Adolf Hitler Reichskanzler wurde und den NS-Reichsarbeitsdienst (RAD) errichtete.

Bei geringen Kosten große Vorteile für die Gemeinden

In der Herrlichkeit Lembeck war der Freiwillige Arbeitsdienst zuerst mit der Wiederaufforstung von rund 300 Morgen Fläche befasst. Träger dieser Maßnahme war der Siedlungsverband, das Amt Hervest-Dorsten und verschiedene kommunale Gemeinden. Amtsbaumeister Spaltmann aus Hervest schrieb dazu 1933 im Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck:

„Bei der Betätigung auf dem Gebiete des freiwilligen Arbeitsdienstes war der Gedanke führend, in den Aufgabenkreis der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft die Pflicht zu erkennen, jede Möglichkeit auszunutzen, die geeignet ist, die wirtschaftlichen, geistigen, kulturellen und sonstigen Belange von Gemeindemitgliedern zu fördern. Bei der großen Arbeitslosigkeit, die im Amtsbezirk Hervest-Dorsten herrscht, verschafft der freiwillige Arbeitsdienst der beschäftigungslosen Jugend wieder Arbeit und Brot und entfaltet zugleich in mehrfacher Weise die öffentliche Fürsorge, deren Ausgaben ein nie gekanntes Ausmaß angenommen haben und die bei den immer knapperen Aufkommen an Steuern in den Gemeinden des Amtes bereits seit etwa einem Jahr fast nur noch durch Staatsbeihilfen bestritten werden können.“

Spaltmann schrieb weiter, dass die in der Herrlichkeit durchgeführten Maßnahmen den Gemeinden des Amtes „bei beachtlichen Vorteilen nur geringe Kosten verursacht“ hätten. Aus Gründen der Sparsamkeit habe man als Vorarbeiter mehrfach geeignete „Wohlfahrtserwerbslose“ herangezogen, „welche durch diese Betätigung ihre Pflichtarbeit verrichten konnten“. Im September 1932 waren rund 300 Arbeitswillige in der Herrlichkeit im Einsatz: Wiederaufforstung, Räumung von Wald- und Heidewegen, um die Brandgefahr zu mindern, Kultivierung von Ödland, Schaffung von Grünanlagen, Schul- und Kleingärten, Ausschlammung von Teichen, Bachbegradigungen und Bau von Badegelegenheiten. Bis November 1932 betrug die geleistete Arbeit rund 30.000 Tagewerke. Dafür waren 55.000 Reichsmark Vergütungen in den Amtsbereich geflossen. Statistisch gesehen kamen im Reichsdurchschnitt auf 1.000 Einwohner 2,5 Arbeitsdienstler; in der Herrlichkeit Lembeck zehn Dienstwillige.

„Die Herrlichkeit Lembeck dürfte demnach wohl mit an der Spitze der Bewegung des freiwilligen Arbeitsdienstes stehen“, schrieb Amtbaumeister Spaltmann 1933. Und in der Bewertung meint er:  „Diese Leute dürften dann bei dem Wiedereinsetzen besserer Zeiten wegen ihrer besonderen Schulung und ihrer erlangten Kenntnis der Arbeit viel eher in der Lage sein, zu ihrem eigenen Vorteil und zum Nutzen der Allgemeinheit den Existenzkampf aufzunehmen, als die Leute, die aus verschiedenen Gründen oder irgendwelcher Einstellung abseits gestanden haben.“

Bis September 1933 wurden die FAD-Arbeitslager aufgelöst und die Mitglieder in den nationalsozialistischen staatlichen Reichsarbeitsdienst überführt. In Deuten wurde unter dem Namen „Ludwig Knickmann“ ein großen RAD-Lager errichtet.

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