Goldsammlung Petrinum

Schüler überwiesen im Kriegsjahr 1915 bereits 56.840 Goldmark

Animations-Postkarte

Animations-Postkarte für das Abgeben von Goldschmuck für den Krieg

Unter dem Motto „Gold gab ich für Eisen“ erfolgte im Ersten Weltkrieg (nicht nur im Kaiserreich Deutschland) die patriotisch begründete Sammlung von Edelmetallen auf freiwilliger Basis. Ging es zunächst um Schmuck, dessen Abgabe durch einen eisernen Ring mit der Inschrift „Gold gab ich für Eisen“ symbolisch abgegolten wurde, so folgte der Appell, auch historische Goldmünzen abzugeben wie auch die aktuellen Kurrentmünzen gegen Papiergeld einzutauschen. Ziel dieser Goldsammlungen war vor allem die Gewinnung von Devisen zur Finanzierung des Krieges. Neben Appellen an Vereine und Privatpersonen, Gold für Kaiser und Reich abzugeben, waren vor allem Schüler aufgefordert, in ihren Familien und Nachbarschaften „Gold für die Reichsbank“ zu sammeln. Am 21. November 1914 ging ein Minister-Erlass an die Schulen, auch an das „Katholische Gymnasium zu Dorsten“, wie sich das Petrinum damals nannte:

„Die Hoffnung unserer Feinde, dass es uns an Geldmitteln fehlen werde, den Krieg durchzuhalten, ist durch den glänzenden Erfolg der Kriegsanleihe, sowie durch die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Reichsbank infolge des ununterbrochenen Anwachsens ihrer Goldbestände erschüttert worden. Dass das Anwachsen ohne Stocken fortschreitet und dass die in weiten Kreisen der Bevölkerung noch reichlich vorhandenen Goldbeträge mehr und mehr bei der Reichsbank konzentriert werden, ist in wirtschaftlicher und politischer Beziehung von der größten Bedeutung […]. Die Geistlichen und Lehrer haben nach den mir zugegangenen Berichten schon bisher in anerkennenswerter Weise mitgewirkt, um die Bevölkerung darüber aufzuklären, wie sehr es im Interesse des Vaterlandes liegt, die unnütz im Schranke liegenden Goldstücke der Reichsbank zur weiteren Stärkung des Goldvorrates zuzuführen. Gerade die Geistlichen und Lehrer können auf diesem Gebiete durch Belehrung der Bevölkerung dem Vaterlande einen großen Dienst erweisen, und sie werden sich, wie ich hoffe, dieser Aufgabe nicht entziehen. Sämtliche Postanstalten sind bereit, Gold gegen gleichwertige Banknoten einzuwechseln und an die Reichsbank abzuführen.“

Joseph Wiedenhöfer erwies sich als Propagandist der patriotischen Lüge

Eisen- für Goldringe

Eisenringe für Goldringe

Schulleiter Dr. Joseph Wiedenhöfer veröffentlichte diesen Runderlass nicht nur im Schul-Jahresbereicht für 1914, sondern wirkte als ausgewiesener Patriot auf die Schüler ein, Gold für die Reichsbank zu sammeln. Er stellte Ausweise aus, auf denen stand, dass der Überbringer „dieses Ausweises“ berechtigt sei, „an der von uns eröffneten Goldsammlung mitzuwirken“. Er begründete dann die Wichtigkeit:

„In der Kasse der Reichsbank gewinnt das Gold den dreifachen Wert. Jede weitere Million Gold ermöglicht nach den Staatsgesetzen die Ausgabe von weiteren drei Millionen Papiergeld. […] So ist es eine heilige vaterländische Pflicht, nunmehr sämtliches Gold abzugeben und kein Stück zurückzuhalten. […]Der Goldschatz der Reichsbank ist also eine wuchtige Waffe gegen unsere Feinde…“

Gold für Eisen 1916

Anerkennungsmedaille 1916: Gold für Eisen

Schande, wer nicht gibt

Allerdings gesellte er sich auch zu jenen, die Patriotismus und heilige Pflicht mit damals schon als Unwahrheit bekannte Behauptungen untermauerten, wenn er schrieb: „Papiergeld hat für den Privatmann denselben Wert wie Gold.“ Und er verdammte die Dorstener und Dorstenerinnen, die ihr Gold bis nach dem Kriege zurückhalten würden. Denn das würde „Schande und wahrscheinlich auch empfindlichen Schaden bringen“. Wiedenhöfer verwies darauf, dass die Reichsbank nach dem Krieg eingeliefertes Gold kenntlich machen würde, wodurch den Goldbesitzern, die ihr Gold zurückbehalten hätten, Verluste entstehen würden. Er appellierte: „Also heraus mit dem letzten Goldstück! Unsere Gegend darf hinter dem ruhmvollen Vorbild anderer nicht zurückbleiben!“

Zwischen November 1914 und Februar 1915 hatten die Gymnasiasten insgesamt 43.730 Mark in Gold gesammelt, wobei die Obertertia mit 20.630 Mark den größten Anteil hatte, gefolgt von der Sexta mit 7.650 Mark. Allein am 19. und 20. Februar und in den folgenden Wochen kamen noch einmal große Beträge hinzu, so dass die Schule am 26. März 1915 beim Dorstener Postamt 56.840 Mark in Gold einzahlen konnte. Dabei waren auch 50 Franc, gespendet von einem französischen Kriegsgefangenen. Schulleiter Dr. Wiedenhöfer kommentierte das Ergebnis (Auszug):

„Das war eine wundervolle Gelegenheit zu staatsbürgerlicher Erziehung und bürgerkundlicher Belehrung. Und der Erfolg war nicht nur ein erzieherischer, sondern ein greifbar praktischer. […] Soll man sagen, dass dieser Krieg von Monat zu Monat furchtbarer oder dass er von Monat zu Monat segensreicher wird, indem er vom ganzen Volk, auch von der noch nicht wehrfähigen Jugend, nicht nur erlebt sondern mit geführt und gekämpft werden muss? […] Wir verzichteten an solchen Tagen [Feier nach Siegen an der Front] eine Viertelstunde auf die strenge Schulordnung und ließen den Freudenstrom über uns und die Nachbarschaft ergehen. Mehr als einmal durchbrauste zu Beginn des Unterrichts ,ein Ruf wie Donnerhall’ und .Deutschland, Deutschland über alles’ und ,Heil dir im Siegerkranz’ und ,O Deutschland, hoch in Ehren’ das Schulgebäude.“

Zur Sache: Eine Woche vor Beginn des Ersten Weltkriegs belief sich der Goldbestand der Reichsbank auf 1.356,8 Millionen Mark. Durch Panikreaktionen der Bevölkerung verminderte er sich auf 1.253,2 Millionen Mark, wurde aber durch Interventionen der Reichsbank und Reichsregierung am 7. August 1914 auf 1.477,5 Millionen Mark angehoben. Die Reichsbank beschrieb die weitere Entwicklung so:

„Nun trat eine denkwürdige Erscheinung ein, die sich ebenbürtig den Waffentaten der deutschen Krieger an die Seite stellen konnte: Das freiwillige Goldopfer des Deutschen Volkes angesichts einer Welt von Feinden, ein Vorgang, der in der Münz- und Währungsgeschichte aller Länder und Völker ohne Beispiel war und ist. Den im Verkehr reichlich vorhandenen Goldumlauf suchte die Reichsbank nach Möglichkeit in ihre Tresore zu leiten und dort festzuhalten. In allen Schichten und in immer größeren Kreisen der Bevölkerung erwuchsen ihr hierbei verständnisvolle Helfer. Die öffentlichen Kassen der Post- und Eisenbahnverwaltung tauschten Gold gegen Noten um und führten das bei ihnen einlaufende Gold an die Reichsbank ab. Ein besonderes Verdienst um das Goldsammelwerk erwarb sich die Geistlichkeit durch ihre unermüdliche Mithilfe sowie durch Anregung und Belehrung. Nicht minder anzuerkennen war auch die Tätigkeit der Schulen, die sich im Einvernehmen mit der Unterrichtsverwaltung und unter Mitwirkung der Standesorganisationen der Lehrer mit glänzendem Ergebnis der Einsammlung von Goldmünzen gewidmet haben. Auch die gesamte Presse stellte sich hervorragend in den Dienst der vaterländischen Arbeit …“

Das hohe Niveau der Goldbestande der Reichsbank hatte auf den Kriegsverlauf letztendlich keinen entscheidenden Einfluss. Die Abnahme der Goldreserven im Jahre 1917 und 1918 sind auf Goldausfuhren zurückzuführen, die auch durch Reparationszahlungen des besiegten Russlands nicht kompensiert werden konnten. 1919 mussten 1.000 Millionen Goldmark zum Aufkauf von Lebensmitteln verwendet und in der Folge auch Zahlungen an die Siegermächte aufgrund des Versailler Friedensvertrages aufgebracht werden.

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