Die Geschichte, das Geheimnis – und der Umgang mit Geld
Und was verdienen Sie? Über die Höhe des Gehalts, der Rente oder eines Erbes schweigen viele Menschen, manche sogar innerhalb der Familie. Doch warum hält man sich ausgerechnet bei diesem Thema so bedeckt?
In Geld-Dingen machte der Brite William Makepeace Thackeray einiges durch. Als 22-Jähriger verlor er sein gesamtes Erbe. Erst 25 Jahre später kam er finanziell wieder auf einen grünen Zweig: Sein 1847/1848 veröffentlichter Roman „Vanity Fair“, auf Deutsch „Jahrmarkt der Eitelkeiten“, bescherte ihm nicht nur literarischen Ruhm, sondern auch beträchtliche Einnahmen. Wie es um das Vermögen einiger Mitmenschen steht, ist auch für manche Figuren in dem Buch kein Geheimnis: So wissen viele in der guten Gesellschaft, dass die Jungfer Crawley 70.000 Pfund geerbt hat. Und einige Männer und Frauen machen sich in dem Roman Hoffnung, etwas davon abzubekommen.
Entgeldtransparenzgesetz: Statistische Bundesamt über Tarifgehälter
Dass offen über ererbten Reichtum, über Gehälter oder Rentenbezüge gesprochen wird, ist eher selten. Als im September 2024 bei RTL „Was verdient Deutschland: Das große Gehaltsranking“ lief, sprach der Moderator vom „letzten Geheimnis“ und vom „Tabubruch“, den die Beteiligten wagten. So reißerisch das klingt: Über ihre Einnahmen sprechen tatsächlich die wenigsten ungezwungen. Mit Freunden oder den Geschwistern tauscht man sich eher über Probleme in der Partnerschaft aus als über die Zahlen auf der Gehaltsabrechnung. Allenthalben stöhnen Menschen zwar über gestiegene Preise, doch sobald es konkret wird, lautet die Devise für die meisten: Über Geld spricht man nicht. Zumindest nicht über das eigene. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz rund 30.000 Euro pro Monat erhält, ist bekannt. Und in der Tarifdatenbank des Statistischen Bundesamtes kann man sich über Tarifgehälter informieren. Doch was die Kollegin, der Freund oder gar der Vorgesetzte aufs Konto bekommt, weiß man meist nicht so genau. Daran hat auch das 2017 in Kraft getretene Entgeldtransparenzgesetz wenig geändert, das vor allem helfen soll, dass Frauen und Männer gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen. Wirtschaftspsychologen und -psychologinnen erklären die Schweigsamkeit damit, dass schnell eine Neiddebatte entbrennen könne.
Außerdem halten es viele grundsätzlich für unfein, über Geld zu reden
Gerade Menschen mit geringerem Einkommen verkünden oft, dass Geld schließlich nicht alles sei. Das ist zwar nicht falsch, möglicherweise aber steckt hinter diesem Satz eine Art Selbstschutz, wenn man mit anderen finanziell nicht mithalten kann. Zumal bei vielen die Überzeugung tief verankert ist, dass diejenigen, die hart arbeiten, auch gutes Geld bekommen. Auch wenn ein Blick auf die Tariftabelle für Pflegeberufe einen eines Besseren belehrt. Und wer verschuldet ist, weicht dem Geldthema aus Scham meist auch lieber aus.
In einer internationalen Befragung des Zahlungsdienstleisters Klarna unter seiner Kundschaft und Nicht-Kunden gab ein Drittel der Deutschen 2023 an, nie über persönliche Finanzen zu sprechen, auch nicht mit Freunden oder Verwandten. In anderen Ländern – etwa in den USA und in Skandinavien – ist man da weniger reserviert. Und: Jüngere Deutsche tauschen sich häufiger über private Finanzen aus als ältere.
Andere Befragungen zeigen, dass viele Menschen zwar neugierig sind, es aber unangebracht finden, Kollegen oder Kolleginnen nach ihrem Gehalt zu fragen. Eine gewisse Vorsicht sei durchaus gerechtfertigt, sagt Susanne Helbach-Grosser, Etikette-Trainerin, Coachin und Autorin („Business-Etikette für Frauen“, „Erfolg mit Takt & Stil – Umgangsformen heute“). „Generell sollten solche Fragen sensibel gestellt werden. Es kommt auf das Feingefühl und den Respekt vor der Privatsphäre des Gegenübers an. Wenn man unsicher ist, ob die Frage angebracht ist, ist es oft besser, das Thema nicht direkt anzusprechen und abzuwarten, ob
sich im Gespräch von selbst eine passende Gelegenheit ergibt“, rät sie. Sie wäre bei flüchtigen Bekanntschaften „sehr vorsichtig“ bei der Frage zum Gehalt – „und würde hier nie selbst aus dem Nähkästchen plaudern“.
Wird man mit solchen Fragen konfrontiert und möchte diese nicht beantworten, empfiehlt Helbach-Grosser „höfliche, aber bestimmte Antworten“ – zum Beispiel: „Das ist eine persönliche Information, die ich lieber für mich behalten möchte“ oder „Ich ziehe es vor, mein Einkommen privat zu halten. Ich hoffe, das ist in Ordnung für Sie“.
Nadascha Wegelin: Viele Frauen benötigen eine „finanzielle Bildung“
Doch vielleicht täte es gerade Frauen gut, ihre Scheu zu überwinden. In ihrem Buch „Madame Moneypenny – Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“ schreibt Natascha Wegelin, die unter dem Namen Madame Moneypenny einen Finanzblog für Frauen betreibt, dass viele Frauen „finanzielle Bildung“ benötigten. Um finanziell auf eigenen Beinen zu stehen und Altersarmut zu entgehen, sollten sie sich mit den oft ungeliebten Gelddingen beschäftigen.
Dazu gehört für Etikette-Trainerin Helbach-Grosser auch die Kommunikation über Finanzen. „Frauen tauschen sich in so vielen Lebensbereichen aus, nur beim Geld herrscht oft das große Schweigen. Weil sie Geld nicht interessiert, das mit der Rente schon klappen wird oder Aktien doch nur Abzocke sind“, sagt sie. „Frauen müssen sich trauen, offener über Geld und ihre Gehälter zu sprechen!“ Das stärke ihre finanzielle Bildung und ihr Selbstbewusstsein. Sie könnten sich gegenseitig unterstützen, Ungleichheiten aufdecken und andere Forderungen stellen. Dies sei besonders wichtig, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen.
Doch: „Natürlich sollte auch hier gelten: Jede Frau entscheidet für sich selbst, in welchen Kontexten sie über ihr Einkommen sprechen möchte und wo sie ihre Privatsphäre wahren möchte“, sagt Helbach-Grosser. „Und ja: Das gilt auch für jeden Mann“.
Siehe auch: Geld (5) Deutsche Mark
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Quelle: RN (DZ) vom 11. Oktober 2024